Einzoomen / Auszoomen

Motive und Materialen der Tapete vom 18. Jahrhundert bis heute

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Das Comeback der Tapete in der zeitgenössischen Raumausstattung wird in den Medien gefeiert und von der Öffentlichkeit begeistert aufgenommen. Es ist oft beeindruckend, wie unterschiedliches Material dargestellt wird, welche Effekte durch Trompe-l’OEils und optische Spiele erzeugt werden. Dabei hat sich zwar die Technik verändert, die illusionistischen Effekte an sich sind aber nicht neu. Sie treten in der Geschichte der Tapete immer wieder auf, seit ihrer Erfindung im 18.  Jahrhundert bis heute. Die Ausstellung zeigt anhand alter und neuer Tapeten, wie sich die Technik entwickelt hat und wie sich die Effekte ähneln. Dabei werden immer wieder Vergrößerungen und Verkleinerungen miteinander verglichen, wodurch zum einen die unterschiedliche Wiedergabe des Materials deutlich wird und zum anderen der Aufbau des Motivs.
Fühlen wir uns von einer Wand angezogen, die scheinbar mit punziertem Leder, mit einem Strickstoff, mit Spitze oder einem
Moiréstoff bespannt ist, müssen wir sehr nah an die Wand herangehen, damit wir erkennen, dass es sich um eine Täuschung handelt. Wir müssen das Objekt gewissermaßen heranzoomen, um zu durchschauen, wie dieser Effekt entsteht. Am Ende
des 18. Jahrhunderts werden mit Tapeten bereits Stoffe perfekt nachgeahmt. Das Spektrum vergrößert sich im 19. Jahrhundert, als die Techniken der Beflockung, des Kalandrierens und der Gaufrierung verbessert werden. Die Manufaktur Balin entwickelt am Ende des Jahrhunderts technische Spezialverfahren (wie die Kaltpresse), um mit noch größerer Perfektion Stickereien, Holz oder Mosaike nachzuahmen. Diese Effekte sind heute wieder modern, werden aber mit viel  infacheren Verfahren hergestellt: dem Digitaldruck. Im Übrigen hebt der neue Trend, Elemente wie Einlegearbeiten auf der Tapete anzubringen, die Materialität der Wand hervor.

Ein weiterer Teil der Ausstellung widmet sich dem Entwurf der Motive für Tapeten zwischen den besonderen Randbedingungen des Mediums und der Entwicklung des Geschmacks. Der schöpferische Entstehungsprozess wird aufgezeigt, von der Wahl des Themas über die Entstehung des Grundmusters bis hin zur Wirkung, die sich aus der Wiederholung des Rapports ergibt, wenn eine Wand oder sogar ein ganzer Raum damit tapeziert wird. Zahlreiche zeitgenössische Künstler fühlten sich in jüngster Zeit angesprochen von den Möglichkeiten, die sich aus der Wiederholung des Motivs ergeben. Ihre Ideen, verspielt und kreativ, werden heute von Tapetenherstellern aufgegriffen und so einem breiten Publikum zugänglich gemacht. Die Ausstellung macht deutlich, dass schon seit dem 18. Jahrhundert sich die Zeichner darüber im Klaren waren, dass die Wiederholung des Rapports eine nicht zu ändernde Randbedingung darstellt aber auch eine Quelle der Wirkungsmöglichkeiten ist. Die futuristischen Künstler in der Zwischenkriegszeit zum Beispiel, sowie die Vertreter der Op-Art und der kinetischen Kunst in den 1960er Jahren, haben bereits die optischen Effekte ausgenutzt, die im aktuellen Design wieder hoch im Kurs stehen. Die Ausstellung zeigt ein Exponat, das aus drei Tapeten des Künstlers Charles Kalt besteht, der seit vielen Jahren im Bereich der künstlerischen Drucktechniken arbeitet. Ebenso stellen Studenten der Haute école des arts du Rhin, die im Rahmen zweier Workshops im April 2012 an der Kunsthochschule Mulhouse Le Quai gearbeitet haben, ihre Arbeiten aus. Fünf von ihnen präsentieren ihre Tapeten, die sie bei einem Workshop mit dem Titel Climat begonnen haben, der von Edouard Boyer angeboten wurde unter der Leitung von Claire Morel und Christian Savioz, die mit den typischen Merkmalen und den Zwängen des Genres spielen. Fünf weitere Studenten im dritten und vierten Studienjahr Textildesign, unter der Leitung von Gwen van den Eijnde, stellen ihre plastischen Arbeiten aus, die beim Workshop 3D Wallpaper entstanden, in Zusammenarbeit mit Vivienne Bateson. Die Stücke zeigen Techniken wie Falten, Ausschneiden, Zeichnen und wollen damit die Oberfläche der Tapete dreidimensional beleben.

Kuratorin: Frau Isabelle Dubois-Brinkmann, Tapeten Museum, Rixheim